Weißensee, Kärnten, Österreich
Die Gemeinde Weißensee mit 784 EinwohnerInnen liegt auf einer Seehöhe von 930 m in einer Sackgasse im südwestlichen Kärnten. Die Bevölkerungszahlen sind seit Jahren konstant. Täglich pendeln 40 BewohnerInnen aus und 86 ArbeitnehmerInnen ein, die in den 127 lokalen Unternehmen Beschäftigung finden. In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Nebenwohnsitze von 0 auf 600 angestiegen, eine weitere Erhöhung wird nicht angestrebt.
Seit über 40 Jahren setzen sich die heimatverbundenen und selbstbewussten BewohnerInnen konsequent und planvoll mit ihren Entwicklungszielen auseinander. Sie haben frühzeitig wegweisende Entscheidungen, wie 1976 die Ablehnung einer uferparallelen Durchzugsstraße, getroffen, die sich als wesentliche Fundamente für ein Leben im Einklang mit Natur und Tourismus erwiesen. So wurde 1967 ein Motorbootverbot verfügt, parallel dazu begann der Bau der Ringkanalisation. Seit 1992 gilt der Weißensee mit seinen 22 km Uferlänge, die zu zwei Drittel unverbaut sind, als der reinste Badesee der Alpen und besitzt Trinkwasserqualität.
Eckpfeiler der Entwicklung sind heute neben sanftem Tourismus und Landwirtschaft auch der Naturpark, die sanfte Mobilität, die attraktive Dorfgestaltung sowie Energieeffizienz. Dies alles geschieht beispielgebend wie auch bewusstseinsbildend auf einer breiten lokalen Basis unter Hinzuziehung von ExpertInnenwissen mit dem Ziel einer Sensibilisierung für die Erhaltung der gesunden Lebensbedingungen sowie der Sicherung der Nahversorgung und der Daseinsvorsorge.
Auf 76 km² befinden sich hochwertige Landschafts- und Naturschutzgebiete, lediglich auf zwei km² sind wirtschaftliche sowie touristische Entwicklungen möglich. Der Naturparkgedanke beinhaltet neben der Bewahrung der Landschaft und der Einschränkung des Landschaftsverbrauches, neben Natur- und Umweltschutz sowie der Bildung auf Themenwegen oder bei Erlebnisführungen auch Impulse für regionale Wertschöpfung. Die Naturparkverbundenheit äußert sich auch in der Qualifizierung der lokalen Volksschule zur „Naturparkschule“. Die Kulturlandschaftspflege genießt hohen Stellenwert und ist mit wirtschaftlichen Interessen verknüpft: Die Almen wurden als Wanderziele für Touristen reaktiviert, Freihaltebereiche der Seeufer festgelegt, Kunstdüngereinsatz verboten. Im Gegenzug wird eine Bewirtschaftungsprämie ausbezahlt, die durch touristische Abgaben finanziert wird.
Weißensee hat sich gewandelt: Der Landwirt wurde zum Gastwirt mit Direktvermarktung eigener wie auch lokaler Produkte. Mit 400.000 Nächtigungen und einer ausgeprägten doppelten Saisonalität zählt Weißensee zu den fünf bedeutsamsten Tourismusorten Kärntens. Parallel dazu entfalten Unternehmergeist und Innovationsbereitschaft Strahlkraft, sind alte Berufe mit jungen Menschen zukunftsfähig verankert, wurden beeindruckende „Weißensee-Marken“ gesetzt. Der Wintertourismus konzentriert sich auf die behutsame Nutzung der Natur mit Eis- und Langlauf, der Sommertourismus bietet naturnahe Erholung am und auf dem Wasser als auch in den Bergen. Ein spezielles Angebot ist das „Genuss-Flößen“, wo regionale Besonderheiten beim Landschaftsgenuss Floßfahrt zum Verzehr gereicht werden.
Weißensee ist ein Dorf der kurzen Wege mit Verkehrsberuhigungsmaßnahmen, geschlossenem Fuß-Radwege-Netz und klarer Verkehrsplanung. Ziel ist es, die Lärm- und Schadstoffbelastung in der „Modellregion für sanfte Mobilität“ zu minimieren. Gäste werden dazu angehalten, zur An- und Abreise den attraktiven ÖPNV zu nutzen. Gästen stehen ein Auffangparkplatz mit Info-Center und attraktivem Shuttle-Service, ein Naturparkbus sowie künftig auch ein Solar-Zubringerschiff, das zum Ortszentrum pendelt, zur Verfügung. Die Elektro-Mobilität genießt besondere Förderung.
Die Klimabündnisgemeinde Weißensee ist derzeit eine 3e-Gemeinde mit dem Ziel, 2020 eine energieautarke 5e-Gemeinde zu sein. Grundlage dafür sind die Energiekenndatenerhebung aller Abnehmer, die „Energiebuchhaltung“ für Gemeindegebäude sowie ein kostenloses Beratungsangebot für die Bevölkerung. Bereits jetzt gehen alle Bioabfälle in eine private Biogasanlage, die forstwirtschaftliche Biomasse wird zur Energiegewinnung genutzt, Ölheizungen sind rückläufig und der Einsatz von Solaranlagen nd Photovoltaik nimmt stark zu. Neben der zeitnahen Realisierung von zwei Nahwärmenetzen ist ein Wasserkraftwerk in Planung.
Beispielgebend im baukulturellen Sinne sind die kompakte Siedlungsentwicklung, die Rückwidmung von Bau- in Grünland, die Erhaltung von gliedernden Grünzonen, eine maßstäbliche und ortsangepasste Einordnung von Neubauten, die Verwendung des lokalen Holzbaustoffes und die Umsetzung des Passivhausstandards unter Einbeziehung überwiegend lokaler Handwerksfirmen.
Hervorzuheben sind die „schlanke“ Verwaltung, umfassende Öffentlichkeitsarbeit nach „innen“ und „außen“, die Förderung von Privatinitiativen, das vielfältige Vereinsleben und die Mentalität der BewohnerInnen sowie, dass jede Entwicklung durch eine Gesamtentscheidung getragen wird und Solidarität zwischen den Generationen und Geschlechtern gegenwärtig ist. Besonders bemerkenswert ist das Betreiben des Passivhauskindergartens durch einen Verein, der seine Öffnungszeiten dem Erfordernis der im Tourismus arbeitenden Eltern anpasst. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zeigt sich auch in den zeitlich versetzten Sommerferien der „Naturparkschule“.
Schlüssiges, zielstrebiges Handeln mit funktionierenden Netzwerken und erfolgreichen regionalen Wertschöpfungsketten machen Weißensee zu einer nachhaltigen Öko-Modellregion mit Zukunftsfähigkeit.
Evaluiert: 2012