Wahrenholz, Niedersachsen, Deutschland

Die Gemeindeführung und die Bevölkerung von Wahrenholz sind von einem ausgeprägten Bewusstsein für die Bedeutung einer tragfähigen Gemeinschaft und der Notwendigkeit, Transformationsprozesse rasch und umsichtig zu gestalten, gekennzeichnet. Sie wissen, dass sie in einer Zeit des Wandels leben und auf zahlreiche Herausforderungen, insbesondere auf den Klimawandel, die Ressourcennutzung und die alternde Bevölkerung, Antworten finden müssen. Sie wollen ihr kulturelles Erbe bewahren, moderne und wichtige Dienstleistungen anbieten und die wirtschaftliche wie auch soziale Lebensfähigkeit der ländlichen Gemeinschaft sowie die Mobilität aller Bevölkerungsgruppen sicherstellen.

Bei ihren realisierten und projektierten Maßnahmen zeichnet sich die Gemeinde Wahrenholz durch einen ganzheitlichen Ansatz, die Fähigkeit, Prioritäten zu setzen, und das Bestreben, möglichst viele thematische Aspekte zu berücksichtigen und zusammenzuführen, aus. So wurde die Renovierung von Kulturdenkmälern mit der Schaffung sozialer Einrichtungen, der Verbesserung der Nahversorgung und wirtschaftlichen Aktivitäten sinnvoll verknüpft. Auch das Thema Klimawandel wird aus unterschiedlichen Perspektiven und im Zusammenspiel mit besonders nachhaltigen Ansätzen in der Landwirtschaft, beispielhaften Mobilitätslösungen und Innovationen im Bereich der Erzeugung und Speicherung erneuerbarer Energien angegangen. Zusammenarbeit und Transparenz werden als wichtige Gebote des Handelns angesehen. Auf diese Weise gelingt es, bewusstseinsbildend zu wirken und breites Verständnis sowie eine hohe Beteiligung der Bevölkerung bei der Bewältigung der vorrangigen Probleme und Aufgaben, etwa im Bereich Umwelt-, Natur- und Wasserschutz, wo die Bauernschaft sogar eine Vorreiterrolle einnimmt, zu erreichen.

Die in Angriff genommenen Leitprojekte sind darauf ausgerichtet, für eine hohe Lebensqualität aller Altersgruppen und Generationen zu sorgen, eine umweltfreundliche und klimaresiliente kommunale Entwicklung zu gewährleisten und den Schutz des kulturellen Erbes mit den Erfordernissen der modernen Zeit zu verbinden. Sie greifen damit – auf höchst innovative, professionelle und integrative Weise – Themen auf, die auch in anderen ländlichen Gemeinden und, weit darüberhinausgehend, gesamtgesellschaftlich von großer Bedeutung sind.

Das Thema Klimawandel wird in der Gemeinde Wahrenholz problembewusst, professionell und integrativ in mehreren Themenfeldern aufgegriffen. Ein Beispiel dafür ist das Projekt Klima-Allianz Dorfentwicklung und Landwirtschaft, bei dem im Rahmen eines Modellvorhabens Klimaschutz und Klimaanpassung anhand des Sektors Landwirtschaft thematisiert werden. Dabei wird die Bedeutung eines umfassenden Naturschutzes aufgezeigt und das Verständnis für entsprechende Maßnahmen gefördert. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen als Handlungsempfehlungen für die landwirtschaftlichen Betriebe, die diese bereits aufgegriffen und ihre Wirtschaftsweise geändert haben. Damit ist eine enorme Treibhausgaseinsparung zu erwarten, wie die eingebundenen Fachleute errechnet haben.

Hochwässer und Überschwemmungen genauso wie Austrocknungen und defizitäre Wasserstände, die in den letzten Jahren insbesondere Landwirtschaft und Wohnsiedlungen belastet haben, waren der Auslöser für die Gründung einer Flussgebietspartnerschaft. Gemeinsam mit benachbarten Gemeinden und Städten wird das Ziel verfolgt, den Fluss Ise und seine Nebengewässer in seiner Gesamtheit zu stärken und den Wasserhaushalt nachhaltig zu verbessern. Im Sinne einer professionellen Begleitung finanzieren die Partner dazu eine Ingenieurstelle.

Erwähnung verdienen auch Aktivitäten wie die Ausstattung der Verantwortlichen für Bauhof und Grünraumpflege mit elektrischen Fahrzeugen oder das gemeinschaftliche Anlegen eines insektenfreundlichen und klimaresistenten Steingartens.

Eine Bertelsmannstudie aus dem Jahr 2012, die ländlichen Gemeinden einen Bevölkerungsrückgang und eine Überalterung prognostizierte, war die Initialzündung für ein Bündel an Maßnahmen, die darauf abzielen, Menschen auch in höherem Alter den Verbleib in Wahrenholz zu ermöglichen.

Um ihrem neuen Leitbild gerecht zu werden, erwarb die Gemeinde direkt im Ortszentrum ein Grundstück mit mehreren leerstehenden Gebäuden im Ausmaß von rund einem Hektar und errichtete dort eine optisch attraktive Senioren-Wohnanlage, die auch einen hohen und äußerst umfassenden Betreuungsstandard bietet. So wurde etwa auch eine Wohngruppe für pflegebedürftige Personen, die ambulant betreut werden, eingerichtet.

Die Schaffung einer Tages- und Versammlungsstätte in der „Alten Schmiede“, die Begegnung und Kommunikation fördert, und die Errichtung eines Ärztehauses durch die Gemeinde, beide in unmittelbarer Nähe zur Senioren-Wohnanlage und damit ebenfalls in der Dorfmitte gelegen, sind weitere wichtige Aktivitäten, die es der Wahrenholzer Bevölkerung ermöglichen, bestens versorgt einen würdevollen Lebensabend in ihrer Heimatgemeinde zu verbringen.

Eine wichtige Ergänzung zu den infrastrukturellen Angeboten stellt der eigens gegründete Verein „Bürgergemeinschaft Wahrenholz e.V.“ dar. Er ist Ansprechpartner für Hilfeleistungen, Aktivitäten und alle Fragen, die das Alter mit sich bringt, und treibende Kraft, wenn es um die Bedürfnisse der älteren Menschen geht.

Wahrenholz verfolgt eine zukunftsweisende Energiepolitik und widmet dieser größte Aufmerksamkeit. Die Gemeinde wagt sich dabei mutig an neue Technologien heran, nutzt lokale natürliche und wirtschaftliche Ressourcen und hat es sich zum Prinzip gemacht, die einzelnen Energiesektoren Strom, Wärme, Mobilität und Industrie gemeinsam zu denken. Sie versteht es vorbildlich, alle Akteur:innen und Betroffenen an einen Tisch zu bringen und die Bevölkerung von der Notwendigkeit der Energiewende zu überzeugen.

Ein besonders herausragendes Projekt ist das „Ökologische Heizungskonzept für die neue Dorfmitte“, mit dem bereits 2019 ein höchst innovativer und effizienter Weg beschritten wurde. Dabei dient ein zentraler Eis-Energiespeicher – eine vergrabene Wasser-Zisterne mit einem Fassungsvermögen von 250.000 Litern und eingebauten Entzugs- und Regenerationsleitungen – als Energiequelle, die in Kombination mit der Wärmepumpen-Technologie über eine Nahwärmeleitung den Heiz- und Kühlbedarf der revitalisierten und neu errichteten Gebäude in der Dorfmitte deckt.

Nahwärme wird als Pfeiler der kommunalen Wärmeversorgung angesehen, zumal ein großer Teil des Gebäudebestandes nur bedingt für den Einsatz von Wärmepumpen geeignet ist. Dank der starken Landwirtschaft und mit Unterstützung von Investitionen seitens der Bevölkerung gibt es privat betriebene Hackschnitzel-Großheizanlagen, die mittlerweile 380 Haushalte mit klimafreundlicher Energie versorgen. Die Hackschnitzel stammen aus den Wäldern der Region und sind ein Abfallprodukt der Wald- und Holzwirtschaft. Das Nahwärmesystem ist so konzipiert, dass Anpassungen an neue Technologien, wie Abwärme aus Wasserstoffproduktion, möglich sind.

Die Gemeinde behält bei der Planung und Realisierung von Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien das Heft des Handelns in ihrer Hand, um ihrer Strategie einer intelligenten Sektorenkopplung zu entsprechen. So werden mit Projektbetreibern Verträge abgeschlossen, die über gesetzliche Vorgaben hinausgehen und die städtebaulichen Interessen der Gemeinde festhalten. Dazu gehören, dass bei Freiflächen-PV-Anlagen netzdienliche Stromspeicher zu installieren sind, dass aus überschüssigem Strom im Elektrolyseverfahren Wasserstoff hergestellt wird, der einzuspeichern bzw. anderwärtig zu nutzen ist, und dass Strom aus Wind- und Solarpark über ein Direktkabel an ansässige Verbraucher zu liefern ist.

Während der Ausbau der Windkraft, dem man positiv gegenübersteht, von der Regionalplanung bestimmt wird, liegt die planerische Hoheit bei Flächen-Photovoltaik bei der Gemeinde. Im Wissen darum, dass hier ein massiver Nutzungskonflikt mit der Landwirtschaft gegeben ist, hat der Gemeinderat mit einer selbstverordneten Richtlinie dafür gesorgt, dass besonders fruchtbare Ackerflächen – in Wahrenholz sind das 85 % – nicht der Nahrungsmittelproduktion entzogen werden dürfen und auf derart guten Böden nur Agri-PV-Anlagen genehmigt werden können.

Evaluiert: 2024

 

Beate Schrank