Waffensen, Niedersachsen, Deutschland
Waffensen mit knapp 900 EinwohnerInnen ist seit der Gebietsreform 1974 Ortsteil der Stadt Rotenburg/Wümme, das in seiner Entwicklung stark von seiner Lage zwischen dem 40 km entfernten Bremen und dem 90 km entfernten Hamburg geprägt ist. Von diesen Einflüssen bleibt auch das landwirtschaftlich geprägte Haufendorf Waffensen nicht unberührt, weshalb man sich schon früh dafür entschied, die künftigen Herausforderungen gemeinsam mit der Stadt Rotenburg bei gleichzeitiger Stärkung der dörflichen Identität zu bewältigen.
Bereits Mitte der 1980er-Jahre formulierten BürgerInnen und PlanerInnen im Rahmen der Dorferneuerung erste Ziele hinsichtlich der künftigen wirtschaftlichen, sozialen und baulichen Entwicklung. Sie waren Wegbereiter für die Gründung der Agenda 21-Gruppe im Jahr 1998. Ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit stehen im Zentrum des erfolgreichen Entwicklungsprozesses, der unter ExpertInnenbegleitung ständig evaluiert und weiterentwickelt wird und in kommunale und regionale Allianzen eingebunden ist.
Eine bis heute positiv wirkende Entscheidung war die „Rückholung der Grundschule“ ins Dorf, deren Schließung Ende der 1970er-Jahre das dörfliche Gemeinschaftsleben negativ beeinträchtigte: Der Nachwuchs in den Vereinen blieb aus, die Identifiaktion der Kinder mit dem Dorf sank. 1985 wurde die noch bestehende Schule, die zwischenzeitlich als Kindergarten und Jugendzentrum diente, erneut ihrer alten Bestimmung zugeführt und ist heute wichtiger Teil der sozialen Infrastruktur. Gemeinsam mit der Landjugend stellt sie für den Waffensener Naturschutzbund (WANABU), zu dem sich LandwirtInnen zusammengeschlossen haben, einen wichtigen Partner dar. Naturkundliche Nachmittage für Kinder, ein Waldklassenzimmer, in dem die Belange von Landwirtschaft, Natur- und Umweltschutz erlebbar gemacht werden, sowie der Bau des „Grünen Pfades“ wirken bewusstseinsbildend. Die Wiederherstellung von Heideflächen, die Erstellung eines Feuchtbiotops für Libellen und nicht zuletzt die laufende Nachpflanzung von Eichen sichern die ökologische Qualität und geben Waffensen sein unverwechselbares Gesicht.
Die Nutzung regenerativer Energiequellen hat hohen Stellenwert und macht LandwirtInnen immer öfter zu EnergiewirtInnen. Eine Biogasanlage verringert seit einigen Jahren nicht nur den Nährstoffeintrag ins Grundwasser, sondern beheizt auch eine Hähnchenmastanlage. Auch die Waffensener Solarinitiative, die auf dem Dach der Turnhalle eine Bürgersolaranlage betreibt, ist Teil der Bemühungen, lokale Antworten auf globale Herausforderungen zu geben. Die bestehenden Windenergieanlagen werden in einem bereits ausgewiesenen Vorrangebiet durch weitere Windkrafträder ergänzt. Die Einbindung der örtlichen Betriebe ist dabei ein wichtiges Ziel. So hat die Holzbaufirma Cordes gemeinsam mit Partnern Windenergieanlagen aus Holz mit einer Nabenhöhe von bis zu 140 m entwickelt und zeichnet auch für den Bau von Niedrigenergiehäusern aus Holz aus den heimischen Wäldern verantwortlich, zum Vorteil von Umwelt und lokalen Wirtschaftskreisläufen.
In enger Partnerschaft mit der Stadt Rotenburg wird die Flächenentwicklung für Siedlung und Gewerbe geregelt, auch mit dem Ziel, lokale Wertschöpfung und Wirtschaftsaktivitäten zu fördern. Viele DorfbewohnerInnen nehmen die örtlichen Dienstleistungsangebote an und kaufen in den ortsansässigen Läden ein, wohl wissend, dass die gute Grundversorgung im Dorf, die junge Familien und ältere BewohnerInnen besonders schätzen, nur durch ihr eigenes Zutun langfristig gesichert bleibt. Wegweisende Regelungen im Flächennutzungsplan und in zahlreichen Bebauungsplänen ermöglichen eine nachhaltige Siedlungsentwicklung und sorgen dafür, dass sich die Gebäude mit angemessenen Baukörpern und Materialien in das intakte Ortsbild einfügen.
Mit der Umnutzung eines ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesens zu einem Mehrgenerationenhaus im Ortskern wird ein Treffpunkt für Jung und Alt angeboten, in dem zahlreiche ehrenamtliche Dienstleistungen gebündelt werden. Eine Behindertenwohnanlage und der Bau von seniorengerechten Wohnungen in der Ortsmitte sind in Planung und die Integration von Kindern und Jugendlichen aus dem Heilpädagogischen Kinderheim in das Dorfleben ist für Waffensen eine Selbstverständlichkeit.
„Anpassung“, „Gegensteuern“ und „Innovation“ sind die Strategien, mit denen die WaffensenerInnen ihre Zukunft bestimmen und alle wichtigen Entscheidungen durch Bürgerversammlungen und Befragungen stets auf eine solide, von der Mehrheit getragene Basis stellen. So tragen die außergewöhnliche Identifikation der BürgerInnen mit ihrem Ort – unabhängig von Bildung, Beruf und Herkunft – und die Offenheit für andere und Neues zum großen Engagement auf allen Ebenen bei und machen das Dorf zu einem attraktiven Wohn-, Arbeits- und Lebensort.
Evaluiert: 2012