Varsány, Nógrád, Ungarn

Die Gemeinde Varsány, im „Cserhát Natúrpark“ gelegen und von weitläufigen Wald-, Acker- und Wiesenflächen umgeben, setzt in ihren nachhaltigen Entwicklungsbestrebungen vor allem auf eine Stärkung der lokalen landwirtschaftlichen Produktion, indem deren Erzeugnisse bevorzugt in der örtlichen Gastronomie sowie für Kindergärten, Schulen und Senior:innen verwendet werden. Neben der Schaffung lokaler Wertschöpfung wird diese bewusste Entscheidung für kurze Transportwege seitens der Gemeindeverantwortlichen auch als wichtiger Beitrag zum Klimaschutz gesehen

Zudem sollen mit einem staatlich geförderten Beschäftigungsprogramm die soziale Integration der lokalen Roma, die immerhin rund 15 Prozent der Bevölkerung ausmachen, und für viele Betroffene vor allem auch Auswege aus der Arbeitslosigkeit erreicht werden. Insbesondere infolge des Regimewechsels und der damit einhergehenden Auflösung der örtlichen Genossenschaften war die Zahl der Menschen ohne feste Beschäftigung sprungartig angestiegen. 

In Ergänzung dazu verfolgt die Gemeinde bei ihrer gemeinwohlorientierten Zukunftsvision die Förderung eines starken sozialen Engagements und den Aufbau einer Gemeinschaft, die von hoher Bürger:innenbeteiligung und einem Klima des Miteinanders gekennzeichnet ist. Mit diesem übergeordneten Ziel forciert sie etwa die generationsübergreifende Vereinsarbeit in den Bereichen Bildung, Tourismus, Sport, Unterhaltung und Traditionspflege. Dafür hat die Gemeinde eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt und Räume im unmittelbaren Dorfzentrum geschaffen, in denen Begegnung und Austausch möglich sind. Der Ortskern erfuhr dadurch wie auch durch den Erhalt und die Etablierung anderer infrastruktureller Einrichtungen eine spürbare Belebung. Varsány pflegt außerdem mit einem klaren Fokus auf gemeinde- und grenzüberschreitenden Erfahrungsaustausch auch Kooperationen mit Partnergemeinden in Rumänien, Polen, Serbien, der Slowakei und Spanien.

Mit der guten Kommunikationsinfrastruktur inklusive Breitband-Internet und dem öffentlichen Verkehrsnetz hat die Gemeinde Varsány gute Voraussetzungen für die Ansiedelung von Wirtschaftsbetrieben und kann auf ihrem Gemeindegebiet bereits 91 Unternehmen zählen. Weitere Chancen hat man schließlich im Tourismus erkannt, der insbesondere auf Jagd und Naturerfahrung beruht.

Als eine wichtige Initiative im Bestreben, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung zu fördern, darf das Projekt „Rosmarin Restaurant“ angesehen werden. Nach Plänen eines preisgekrönten Architekten errichtete die Gemeinde 2020 eine Gaststätte, die von einem konzessionierten Gastronomen betrieben wird, der auch ein Catering-Service anbietet. Ein Schau- und Verkaufsladen ergänzen das Angebot. 

Die ökonomische Relevanz des Projektes ist nicht zuletzt deshalb so hoch, weil vorwiegend lokale und regionale landwirtschaftliche Erzeugnisse verarbeitet werden. Auch der Verkaufsstand bietet lokale Köstlichkeiten wie Marmelade, Essiggurken, Honig und Wein an. Dass mittlerweile 14 Mitarbeiter:innen beschäftigt werden, ist ebenfalls als Erfolgsstory zu bewerten und hängt damit zusammen, dass das Lokal mit seinem ansprechenden Ambiente und seiner hochwertigen Küche über die Dorfgrenzen hinaus bekannt ist und sich als stark frequentierter Treffpunkt für Gäste aus nah und fern etabliert hat. 

Das Rosmarin Restaurant stellt – ergänzend zur Bewirtung seiner Gäste – täglich 300 Mahlzeiten für die Schul- und Kindergartenkinder sowie für die Senior:innen her. Damit kann der Betreiber sein unternehmerisches Risiko weitestgehend absichern und die Gemeinde lukriert im Gegenzug eine sichere Mieteinnahme. Insgesamt trägt das Projekt wesentlich zur touristischen Entwicklung Varsánys bei und wirkt sich sehr positiv auf das Selbstwertgefühl und die Lebensqualität der Bevölkerung aus. 

Die Renovierung der Grundschule in Varsány, die 2020 durchgeführt wurde, verfolgte und erreichte das ehrgeizige Ziel, einen qualitativ hochwertigen Bildungsstandort zu schaffen, der auch die lokalen Bedürfnisse berücksichtigt. Man strebte dabei sowohl eine Optimierung der Gebäudesubstanz und der Infrastruktur als auch eine massive Verbesserung der Ausstattung und die Etablierung innovativer Methoden an.

Neben allfälligen Sanierungsmaßnahmen wurde für Barrierefreiheit gesorgt, auf dem Dach ein Solarmodulsystem errichtet und um eine Etage aufgestockt, so dass nun 235 Kinder, darunter auch Oberstufenschüler:innen aus den Nachbarorten, aufgenommen werden können. Es wurden zwölf Klassen- und fünf Fachbereichsräume für Informatik und Sprachen, Naturwissenschaften, Kunst, Musik und individuelle Förderung eingerichtet sowie eine Turnhalle für die tägliche Sportstunde, die auch der Bevölkerung für sportliche Aktivitäten zur Verfügung steht, und ein großzügig dimensionierter Sportplatz gebaut. 

Mit der Einrichtung eines hochmodernen Labors für die naturwissenschaftlichen Fächer, mit der Anschaffung hochwertiger Instrumentarien für diverse Fachbereiche und mit zeitgemäßer digitaler Ausstattung der Klassenräume genauso wie mit der Einführung innovativer pädagogischer Praktiken, die insbesondere auch Projektarbeiten und Kooperationen forcieren, finden die jungen Menschen einen Lernort vor, der den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird und an dem der Wissenserwerb zur Freude wird.

2019 nahm die Gemeinde Varsány die umfassende Renovierung und energetische Sanierung des Gesundheitszentrums in Angriff. Ziel war es, Betriebskosten und Treibhausgasemissionen zu senken, die Energieeffizienz zu steigern und Patient:innen wie auch Personal mehr Komfort zu bieten. So  wurde die Heizungsanlage modernisiert und eine Wärmedämmung angebracht. Weiters wurden Fenster und Türen getauscht, Solarpaneele montiert sowie Warte- und Behandlungsräume funktionaler und attraktiver ausgestattet. 

Die zweite Komponente des Projektes zielte darauf ab, eine deutliche Verbesserung der medizinischen Versorgung und des Gesundheitszustandes der Bevölkerung zu erreichen. Dieses Bestreben ist höchst nachvollziehbar angesichts dessen, dass die Kindersterblichkeit in Komitat und Bezirk doppelt so hoch wie im Landesschnitt und die Lebenserwartung von Männern die niedrigste in ganz Ungarn ist. Es gelang, die räumliche Atmosphäre im Gesundheitszentrum und die Ausstattung der Praxen von Allgemeinmediziner und Hebamme mit Diagnose- und Therapiegeräten deutlich zu verbessern und die Bevölkerung in größerem Umfang zur Nutzung von Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchung zu bewegen. 

Wichtige Ergänzungen sind die neue Apotheke gegenüber dem Gesundheitszentrum und die Kindertagesstätte „Sicherer Anfang“, die ebenfalls im Gesundheitszentrum untergebracht ist und vor allem Müttern aus sozial benachteiligten Schichten mit ihren Kindern als pädagogisch begleitete Anlaufstelle zur Verfügung steht. 

Die Erhaltung ortsbildprägender Gebäude mit großer identitätsstiftender Wirkung genießt in Varsány sehr hohen Wert. In diesem Sinn wurde 2008 ein altes Bauernhaus in lokaler Bautradition von der Gemeinde renoviert und an einen örtlichen Verein vermietet. 

Heute erfüllt dieses Bauernhaus eine Vielfalt an Funktionen, die das Dorfleben bereichern. Es dient als Gästehaus mit zwei Zimmern und bietet sich Besucher:innen als authentische Unterkunft mit besonderem Charme an. Der Garten verfügt über einen Backofen, eine überdachte Terrasse, ein Solarmodul zur Warmwasserversorgung und seit 2022 auch über eine Scheune. Damit ist das Anwesen bestens für Veranstaltungen aller Art ausgestattet. Viele davon, etwa das gemeinsame Einkochen von Pflaumen aus lokalem Anbau, gastronomische Winterfestabende, das Singen von Volksliedern und das Erzählen von Geschichten, fördern das Miteinander der Dorfgemeinschaft sowie die Pflege von Brauchtum und kulinarischen Traditionen. Auch Kindergarten, Schule und Kinderhaus haben hier einen externen Stützpunkt für Unterricht und Spiel. 

Das Anwesen dient seit vielen Jahren dem lokalen Handwerk als Heimat und ist Schauplatz von Ausstellungen und Konferenzen unter freiem Himmel. Darüber hinaus laden die lokalen Handwerker:innen Gäste dazu ein, sich in die Geheimnisse des Schuhwebens, der Herstellung von Lederschmuck, der Holzschnitzerei und des Schmiedens einweihen zu lassen. 

Evaluiert: 2024

 

Beate Schrank