Tihany, Komitat Veszprém, Ungarn

Die Gemeinde Tihany liegt im Komitat Veszprém auf einer Halbinsel, die den Plattensee in zwei Becken teilt, und zählt 1.358 EinwohnerInnen. Die malerische Lage, eine beeindruckende Flora und Fauna, die für den Natur- und Landschaftsschutz sowohl national als auch international von sehr hoher Bedeutung ist,  sowie eine große Zahl an kulturhistorischen Sehenswürdigkeiten, allem voran die weithin sichtbare Abtei, ein historisch gewachsener Siedlungskern und 72 Denkmalschutzobjekte, sind der besondere Reichtum der Gemeinde und Anlass für  knapp eine Million TouristInnen pro Jahr.

Trotz oder wegen seiner hohen Bekanntheit und seiner naturräumlichen Attraktivität hat Tihany nach 1990 eine tiefgreifende Verfallsperiode durchlebt. Die in der Blütezeit des Massentourismus ausgebaute Infrastruktur veraltete zusehends, die ökologische Qualität und die Siedlungsentwicklung ließen zu wünschen übrig und Dienstleistungen wie Infrastrukturen waren längst nicht mehr zeitgemäß. Die Folgen waren ein erheblicher Einbruch des Tourismus mit einem starken Rückgang der Übernachtungszahlen sowie umfassende wirtschaftliche und soziale Depressionen.

Angesichts dieser massiven Probleme startete die Selbstverwaltung der Gemeinde Tihany 2006 eine komplexe Entwicklungsarbeit mit dem Ziel, die Lebensbedingungen der Menschen ganzheitlich zu verbessern und die Wertschöpfung aus dem Tourismus zu erhöhen. Gemeinsam mit den BürgerInnen und externen ExpertInnen wurden im Rahmen der „Werkstatt für Tihanys Zukunft“ eine SWOT-Analyse mit minutiöser Erfassung von Stärken und Schwächen sowie Potenzialen und Gefahren durchgeführt und darauf aufbauend ein umfassendes Gemeindeentwicklungsdokument sowie ein touristisches Entwicklungsprogramm erarbeitet.

Der ambitionierte Entwicklungsprozess wurde seit diesem Zeitpunkt mit beispielhaftem Engagement, vorbildlicher Umsicht und großer Beharrlichkeit vorangetrieben und hat auch bereits eine Reihe von Früchten getragen: Die technische Infrastruktur wurde allem voran durch eine Kanalisation und eine energiesparende Straßenbeleuchtung deutlich verbessert. Zahlreiche identitätsstiftende Gestaltungsmaßnahmen, vielfach mit verkehrsberuhigender Wirkung und unter dem Aspekt der Barrierefreiheit,  wie die Erneuerung mehrerer öffentlicher Plätze im historischen Siedlungszentrum, die Neugestaltung der Fußgängerbereiche, die Anlage von Rastplätzen, der Bau eines großen Parkplatzes am Rande der Siedlung u.a., kommen ebenso wie die Schaffung von Fahrradwegen Einheimischen wie TouristInnen zugute. Die  Errichtung von Besucherzentren für den Nationalpark und für die Abtei, die Erneuerung der Freilichtbühne, die Eröffnung einer Galerie und die Schaffung weiterer niveauvoller kultureller Angebote tragen ebenso zur Erhöhung der Lebensqualität bei wie zahlreiche bildungsrelevante Initiativen, beispielsweise die Initiierung eines „Grünen Kindergartens“, einer Ökoschule und eines „Schüler-Laptop-Programmes“.

Besondere Erwähnung verdienen auch die erfolgreiche Bewusstseinsbildung bei der Bevölkerung, die Umwelt- und Naturschutz nicht mehr als Einschränkung, sondern als Notwendigkeit und Chance begreift, und die Motivation privater Hotelerie- und Gastronomiebetriebe zu qualitätvollen, regionsbezogenen und nachhaltigen Verbesserungen ihrer baulichen Substanzen und Dienstleistungen. Bemerkenswert erscheinen auch die Ausstattung mit sozialen Dienstleistungen, die dem demografischen Wandel Rechnung tragen, die Bereitschaft zu Kooperationen mit der nahe gelegenen Stadt Balatonfüred und den Nachbarorten, die nicht als Konkurrenten, sondern Partner gesehen werden, und die Entwicklung der Selbstverwaltungsbehörde zu einer offenen, serviceorientierten Anlaufstelle für BürgerInnenanliegen.

Tihany ist sich dessen bewusst, einen Weg beschritten zu haben, der trotz zahlreicher bisheriger Erfolge noch viele Aufgaben bereithält. So beabsichtigt  man eine  Verstärkung der interkommunalen Zusammenarbeit mit den mit ähnlichen Problemen kämpfenden Gemeinden um den Plattensee. Weiters plant man für die nächste Zukunft die Schaffung von Anlegeplätze für Segelboote, eine attraktive Weiterentwicklung der Strände und eine Umgestaltung des Fährhafens, wobei man eng mit der TU Budapest kooperiert. Die Ergebnisse eines Ideenwettbewerbs unter StudentInnen der Fakultät für Architektur wurden zu einer Ausstellung aufbereitet, die allen Interessierten offen steht. Auch will man in der Plattensee-Gemeinde gezielt weiter daran arbeiten, die wirtschaftliche Basis durch die  Herstellung, Verarbeitung und Vermarktung  von lokalen Produkten – Stichwort Errichtung einer Lavendel-Manufaktur –  zu verbreitern.

Tihany hat mit dem ab 2006 eingeleiteten Entwicklungsprozess und einer Vielzahle an realisierten Projekten die Phase der Stagnation auf hervorragende Weise überwunden und die Lebensgrundlagen der Menschen deutlich verbessert. Grundlagen des Erfolgs waren das außerordentliche Engagement der Gemeindeverantwortlichen, die intensive Mitwirkung der Menschen, der Rat von Fachleuten und nicht zuletzt eine zukunftsfähige Vision, die in gleicher Weise auf Tradition und Innovation setzt.  „besser.leben“ ist in Tihany längst kein Motto mehr, sondern ge- und erlebte Realität.

Evaluiert: 2014