Quarnebeck, Sachsen-Anhalt, Deutschland

Quarnebeck zählt 177 Einwohnende und ist Ortsteil der Einheitsgemeinde Stadt Klötze. Das Dorf liegt mitten in der dünn besiedelten Altmark, 90 Kilometer nördlich der Landeshauptstadt Magdeburg, 40 Kilometer südlich der Kreisstadt Salzwedel und 40 Kilometer östlich von Wolfsburg, der Hauptpendeldestination dieses Landstriches. Hier stemmt sich ein kleines Dorf beeindruckend gegen die anhaltend starke Abwanderung und damit einhergehende Überalterung und Ohnmacht, indem es als eine große Gemeinschaft die eigenen Ressourcen vollumfänglich und nachhaltig nutzt und in diesem Lebensmodell aus tatkräftiger Mehrgenerationenhilfe und Willkommenskultur attraktiv für Neue und Neues ist – und so entgegen dem Trend die Einwohnerzahl stabil halten kann. In Quarnebeck kann jede und jeder die ansteckende Begeisterung, mit der die QuarnebeckerInnen ihr Dorf gestalten, erleben.

Unter dem Motto „Nachhaltigkeit auf kurzem Weg“ wird die Lage des Dorfes im Biosphärenreservat Moor Drömling als Potenzial für einen sanften Tourismus und die eigene Naherholung erkannt. Die Umwelterziehung bereits der Jüngsten, das Anlegen und Pflegen von Blühstreifen, eine „Geburtenwiese“ als Streuobstwiese mit Patenschaften für alte Obstbaumsorten, private Gemüsegärten, Insektenhotels, Nistplätze gefährdeter Vogelarten im ehemaligen Trafoturm, eine zertifiziert nachhaltige Waldbewirtschaftung mit Einzelbaumentnahmen und gradueller Anpassung an den Klimawandel und die Jagdgenossenschaft werden als selbstverständlicher Bestandteil des Dorflebens verstanden.

Ein Biolandwirtschaft-Erlebnishof lockt im Netzwerk „Landvergnügen“ Radfahrende und Wohnmobile aus ganz Europa in das Dorf. Der neue Schlosserbetrieb in einem ehemaligen Stall ist einer rückkehrenden Quarnebeckerin zu verdanken. Die Auftragsbücher sind voll und die Energiekosten dank Hackschnitzelheizung und PV-Anlagen auf dem Dach komplett unter eigener Kontrolle – wie überhaupt lokales Holz, gekoppelt mit Erdwärme, Solarthermie und Photovoltaik den Wärmebedarf der meisten Haushalte decken.

Darüber hinaus wirbt Quarnebeck mit dem bewussten Kontrast zwischen Arbeiten in der Stadt und Leben auf dem Land. Pendelnde nutzen zur Mobilität den PKW in Fahrgemeinschaften und in Kombination mit der Bahn oder die Landesbuslinien. Für den Ausbau regelmäßigerer Busverbindungen sowie die Weiterentwicklung des Rufbussystems mit digitaler Fahrplanauskunft und Live-Busverfolgung versucht Quarnebeck Förderungen zu lukrieren. Die Rufbusse kommen auch regelmäßig für gemeinschaftliche Fahrten zu Kunst und Kultur in den umliegenden Städten zum Einsatz. Für Wege innerhalb des Dorfes und zum Nachbarort zu Vereinssport, Kita und anderen sozialen Einrichtungen ist das Fahrradfahren selbstverständlich.

In Eigeninitiative eingerichtete öffentliche W-Lan-Spots und Klönbänke, ein selbst getragenes Gemeinschaftshaus mit eigens organisierter gastronomischer Versorgung am Wochenende, der zu einem Schützenhaus umgebaute ehemalige Stall und die sanierte Dorfkirche sorgen für das Miteinander vor Ort. Vieles wird klug, mit wenigen finanziellen Mitteln und viel Engagement betrieben.

Als Leuchtturm strahlt das alle zwei Jahre von Jugendlichen und Junggebliebenen aus Quarnebeck und Umgebung veranstaltete Musik- und Familienfest „RoQ keeps equality“, das in verschiedenen Formaten wie Installationen, (Sofa-)Konzerten, Workshops und Diskussionsrunden Zeichen gegen Extremismus und für Dialog setzt. Beim Ortsbesuch im Rahmen des Wettbewerbes durften wir Teil einer kleinen Ausgabe am Dorfplatz werden – und schon das war umwerfend zu erleben.

Die Vorbereitung und die Durchführung des Festivals sowie die Berichterstattung über Inhalte und Ziele von „RoQ keeps equality“ verstehen die QuarnebeckerInnen bewusst als Gewinn für ihr Dorf und die gesamte Region, weil damit zum Nachdenken angeregt wird, was Gleichheit in der Gemeinschaft und im eigenen Leben bedeutet. Ziel des Leuchtturmprojektes ist es, Augen zu öffnen, den eigenen Horizont zu erweitern und dabei alle Generationen zu erreichen. Menschen – egal welcher Herkunft und Hautfarbe – setzen zusammen kreative Ideen um. Musik spielt dabei die zentrale Rolle, denn Musik verbindet. Sehr viele QuarnebeckerInnen sind an dem Wochenende Gast und helfen im Vor- und Nachhinein ehrenamtlich mit, um ein Zeichen für Demokratie zu setzen und das Miteinander auch hier zu fördern. Der große Erfolg von „RoQ keeps equality“ führte zu immer mehr Veranstaltungen, ermöglicht auch durch die wiederum gewonnenen Fördergelder. Hier wurde vor allem in die politische Bildung investiert und das Kinderfest wurde weiter ausgestaltet. Um das Festival auch ökologischer zu machen, wurden zuletzt statt temporärer Plastikzelte Holzstände aus dem lokalen Holz von der Dorfgemeinschaft gebaut und Mehrweg-Pfandbecher mit dem eigens entworfenen Festival-Logo zum Einsatz gebracht.

Und in der Zeit zwischen dem großen Event, da mahnt eine Installation auf dem Quarnebecker Dorfplatz mit schockierenden historischen und heutigen Zitaten auf Schiefertafeln – hinter beweglichen Abdeckungen zunächst in verborgener Autorenschaft – uns gegen Hass und Hetze zu stemmen und immer wieder Brücken zu bauen zwischen Jung und Alt, Land und Stadt, Tradition und Innovation, Vertrautem und Neuem – in stetiger Erneuerung der lebens- und liebenswerten Umwelt zum Wohle aller. Dafür steht Quarnebeck in ganz besonderem Maße.

Evaluiert: 2022