Niederwalgern, Hessen, Deutschland
Der 1.500 EinwohnerInnen zählende Ort Niederwalgern nahe Marburg gehört seit 1974 zur Großgemeinde Weimar/Lahn mit ihren insgesamt ca. 7.000 EinwohnerInnen. Der ehemals landwirtschaftlich geprägte Ort liegt am westlichen Hang des Lahntals und ist verkehrstechnisch gut angebunden. Die historische Fachwerkbebauung im alten Ortskern und die mächtige Wehrkirche aus dem 13. Jahrhundert zeugen von der langen Geschichte des Ortes. Niederwalgern ist heute ein Siedlungsschwerpunkt der Großgemeinde.
Der Dorferneuerungsprozess, der in den 1990er-Jahren gestartet wurde, hat Niederwalgern kontinuierlich vorangebracht. Den BürgerInnen ist es dabei besonders wichtig, durch gemeinsames bürgerschaftliches Engagement und dank eines vielseitigen Angebotes an Vereinen, Initiativen und Einrichtungen die Lebensqualität und die gute dörfliche Infrastruktur zu erhalten und weiter zu verbessern. Beispielhaft seien die Initiative „Bürger helfen Bürgern“, der Förderverein Niederwalgern oder der Dorftreff e.V. als wichtige Player genannt.
Die Einbindung der Ortsvorstehung in den politischen Prozess der Großgemeinde scheint erfolgreich zu sein, denn es ist gelungen, mehrere Sanierungsprojekte in Niederwalgern umzusetzen, die sich ausgesprochen positiv auf die Entwicklung des Dorfes auswirken. So wurde das aus dem späten 19. Jahrhundert stammende Schulgebäude, ein regionstypischer Fachwerkbau, komplett saniert und um eine Wohnung sowie einen Saal ergänzt, der als Raum für kleine kulturelle Veranstaltungen genützt wird.
In Zusammenarbeit mit der Gesamtschule wurde ein Lern- und Experimentierfeld mit überregionaler Nutzung entwickelt und erbaut. Auch durch die Sanierung des Bürgerhauses und seine Umfunktionierung zu einem Veranstaltungsort wurde ein wichtiger sozialer und kultureller Treffpunkt geschaffen. In Zusammenarbeit musisch und kulturell tätiger Vereine mit der Gesamtschule wurde eine ehemalige Turnhalle zu einem der bedeutendsten Musik- und Kulturhäuser in der Region umfunktioniert. Auch die Dorfmitte wurde umgestaltet und neuen Bedürfnissen angepasst. All die genannten baulichen und Sanierungsmaßnahmen führten zu einer fast hundertprozentigen Nutzung des Gebäudebestandes und zur Vermeidung von Leerstand.
Die baulichen Prozesse wirken sich nachhaltig und positiv auf das dabei entstandene ehrenamtliche Engagement aus, das sich auch auf die Umsetzung von Projekten in anderen Bereichen der dörflichen Entwicklung ausgedehnt hat. Besonders erwähnenswert sind soziale Initiativen sowie das Engagement in den Bereichen Natur-, Umwelt- und Klimaschutz, das sich in einer Vielzahl an Projekten manifestiert. So wurde gänzlich ehrenamtlich ein Naturerlebnispfad entwickelt, errichtet und betreut, der Besonderheiten der Landschaft näherbringt, beispielsweise den Martinsweiher, der zum europäischen Schutzgebietsnetz „Natura 2000“ gehört und mit Wasserbüffeln und dem Vogelbeobachtungsstand ein Naturparadies ist. Auch die Montage von 80 Photovoltaik-Anlagen auf Dächern, der Bau der größten Pelletsheizung des Landkreises für die Wärmeversorgung der Gesamtschule sowie die ständigen Aktivitäten der AG Biodiversität mit dem Anlegen von Wildblumen- und Streuobstwiesen, dem Aufstellen von Nistkästen und Insektenhotels sowie zahlreichen Bildungsinitiativen – nicht nur, aber insbesondere auch in Kooperation mit den Bildungseinrichtungen – verdienen besondere Erwähnung.
Da wegen des Strukturwandels die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe stark gesunken ist, wurde eine gemeinschaftliche Einrichtung geschaffen, die einerseits das überbetriebliche Unterstellen von Maschinen ermöglicht und die gleichzeitig auch für große Veranstaltungen wie das Erntedankfest genützt werden kann.
Gepflegt wird auch der regelmäßige Austausch mit benachbarten OrtsbeirätInnen, um bei ortsübergreifenden Anliegen eine bestmögliche Abstimmung treffen zu können. So konnte zur Verbesserung der Mobilität der BewohnerInnen gemeinsam ein Bus in Betrieb genommen werden, der, von ehrenamtlichen FahrerInnen gelenkt, zwölf Ortsteile miteinander verbindet. Auch der Betrieb des Dorftreffs und des angeschlossenen Ladens mit Produkten des täglichen Bedarfs wird von Ehrenamtlichen bewerkstelligt.
Der relativ kleine Ort Niederwalgern hat es durch die Zusammenarbeit aller BewohnerInnen mit der Gemeinde sowie durch große Eigenleistungen und enorm hohes permanentes Engagement geschafft, eine Reihe von Projekten und Maßnahmen über Jahre hinweg erfolgreich umzusetzen. Der ständige Versuch, auch die Kinder und Jugendlichen in die Entwicklung und Planungen einzubinden, darf als gute Option für die Zukunft gewertet werden.
Evaluiert: 2020