Eggiwil, Bern, Schweiz
Die Gemeinde Eggiwil liegt in der Region „Oberes Emmental“ direkt am UNESCO-Biosphärenreservat „Entlebuch“ in der Zentralschweiz. Die Entfernung zum Bezirks-Hauptort Langnau beträgt 15 Kilometer, zur Hauptstadt Bern sind es knapp 35. Die Gemeinde zählt aktuell rund 2.470 EinwohnerInnen auf einem Gemeindegebiet von insgesamt 6.030 Hektar. Die Kern-Siedlungsfläche macht knapp 1,5 Prozent des Gemeinde-Territoriums aus, hinzu kommen zahlreiche Einzelgehöfte als Streusiedlungen in der Emmentaler Kulturlandschaft. Für die Gemeinde bedeutet dies in Kooperation mit der Kantonalverwaltung Bern die Notwendigkeit zum ständigen Erhalt von 150 Kilometern an Straßen und Wirtschaftswegen, die ihrerseits für die Bewahrung der prägenden Kulturlandschaft des Oberen Emmentales zwingend nötig sind. Auch die Pflege des Fließgewässer-Netzes und der Erhalt der einzigartigen überdachten Holzbrücken sind in diesem Kontext zu erwähnen.
Gleichzeitig werden alle Anstrengungen unternommen, den kompakten Ortskern mit seiner gut erhaltenen Bausubstanz als lebendiges Zentrum zu erhalten, in dem nicht nur die Gemeindeverwaltung, sondern auch das Alters- und Gesundheitszentrum, Gewerbe- und Nahversorgungsbetriebe, E-Tankstellen und lokales Gastgewerbe ansässig sind und attraktive Wohnungen geschaffen wurden. In diesem Zusammenhang ist unter anderem auch die Schaffung von neuem Gewerbe- und Wohnraum in der alten Mühle beispielhaft hervorzuheben.
Mit dem kommunalen Entwicklungsprozess will man in Eggiwil dem Trend des Bevölkerungsrückgangs, dem Strukturwandel in der Landwirtschaft sowie dem Verlust an Identität und Selbstbewusstsein der Bevölkerung entgegenwirken. Eine weitere Herausforderung sieht man in einer neuen Rollenfindung innerhalb eines ausgewogenen Stadt-Land-Gefüges. Im Fokus stehen daher die sozio-kulturelle Weiterentwicklung und die Aufwertung des Lebensraumes in wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und infrastruktureller Hinsicht. Dabei arbeitet die Gemeindeführung in sehr enger Kooperation mit der Stiftung Innovation Emmental-Napf, die sich in Anlehnung an die Lokale Agenda 21 der ganzheitlichen und nachhaltigen Entwicklung Eggiwils und des Oberen Emmentals verpflichtet hat. Als private Trägerin kann die Stiftung, freilich in Abstimmung mit der Gemeindeführung, mit kurzen Entscheidungswegen arbeiten und mutigere Entscheidungen treffen.
Als eindeutiges Leuchtturmprojekt ist das Jugendhilfe-Netzwerk Integration hervorzuheben, das auch eine gelungene partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land darstellt. Psychosozial gefährdete und verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche aus schwierigen Lebenssituationen in den urbanen Ballungsräumen werden dabei zur (Re-)Sozialisierung in bäuerlichen Pflegefamilien in der Landgemeinde aufgenommen, bestmöglich in die dörfliche Gemeinschaft (z. B. durch den Besuch der inklusiven Schule) integriert und zur Mithilfe in der Landwirtschaft motiviert. So erhalten 150 Kinder und Jugendliche neue Lebensperspektiven im ländlichen Raum, andererseits verbessert die geschaffene Zuverdienst-Möglichkeit durch die Aufnahme von Kindern und Jugendlichen die finanzielle Situation der Partnerfamilien. Die Finanzierung des Jugendhilfswerks erfolgt über die Kantone, aus denen die Kinder und Jugendlichen in die Betreuung übergeben werden.
Ein weiteres Vorzeigeprojekt ist die Übernahme und Umfunktionierung des ehemaligen Gasthofes „Bären“ zu einem lokalen und regionalen Gemeinschaftszentrum für Gesellschaft, Bildung, Kultur und Tourismus. So fungiert der „Bären“ mit seinen Räumlichkeiten und Freiflächen als Treffpunkt für Vereine mit Stammtisch, als lokales und regionales Bildungszentrum, als Veranstaltungs- und Probeort sowie als Gastronomiebetrieb. Im Rahmen des Jugendhilfe-Netzwerkes dient das Zentrum auch als Ausbildungsstätte im touristischen und gastronomischen Bereich. Ebenfalls herausragend sind die seit mehr als 20 Jahren mit großem Erfolg durchgeführten „Eggiwiler Symposien“ zu ausgewählten Fragen der Stadt-Land-Beziehungen und zu Stadt-Land-Partnerschaften sowie die Bemühungen zur Entwicklung, Verbesserung und regionalen wie auch überregionalen Vermarktung der so genannten „Triasol“-Holzträger zu einem hochwertigen Produkt.
Vorbildlich sind die Möglichkeiten für SeniorInnen, auch ihren Lebensabend in Eggiwil verbringen zu können, einerseits in einer der eigens realisierten Wohnungen für ältere Menschen, andererseits im Pflegeheim direkt im Ortskern. Um dem Mangel an medizinischer und pflegerischer Grundversorgung im ländlichen Raum entgegen zu wirken, wurde 2012 darüber hinaus das interkommunale Projekt „Gesundheitszentrum Oberes Emmental“ entwickelt und bis 2014 in enger Kooperation mit drei weiteren Emmentaler Gemeinden, der Stiftung Innovation, dem Alterszentrum Eggiwil sowie dem Regionalspital Langnau umgesetzt. Es bietet ein attraktives medizinisches Angebot mit einer Gemeinschaftspraxis von drei Ärzten, Physiotherapie, Massage, Hörberatung sowie Krankenpflege und beherbergt außerdem eine Außenstelle des Roten Kreuzes Bern-Emmental.
Schließlich sind die Stärkung der lokalen und regionalen Land- und Forstwirtschaft sowie die Aufwertung der Kulturlandschaft des Emmentals explizit zu betonen. Die Gemeinde ist trotz des Strukturwandels immer noch stark durch die Land- und Forstwirtschaft und die unmittelbare Weiterverarbeitung der Produkte geprägt. So sind private wie auch Gemeinschafts-Sennereien genauso von Bedeutung wie mehrere Sägewerke und Holzverarbeitungsbetriebe sowie das Biomasse-Heizwerk zur Wärmeversorgung diverser kommunaler und auch zahlreicher privater Gebäude. Bereits beschriebene Projekte wie das Jugendnetzwerk Integration oder die Initiativen rund um „Triasol“-Holzträger sind nicht zuletzt auch in diesem Kontext zu sehen. Zur proaktiven Diversifizierung und mit dem Ziel der Verbesserung der lokalen Imkerei hat die Gemeinde Eggiwil seit einigen Jahren ein eigenes Bienenschutz-Programm aufgelegt, bei dem die örtlichen ImkerInnen sensibilisiert und mit einer monetären Unterstützung motiviert werden.
Zusammenfassend zeigt man in Eggiwil eindeutig und facettenreich, wie die Hebung der Lebensqualität in einem attraktiven und zukunftsfähigen Dorf zum Schlüsselfaktor eines kontinuierlichen Entwicklungs-Prozesses werden kann. Auch dem Wettbewerbsmotto „Lokale Antworten auf globale Herausforderungen“ wird in mehreren strahlkräftigen Projekten und Maßnahmen entsprochen.
Evaluiert: 2020