Bad Schandau, Sachsen, Deutschland
Die insgesamt rund 6.000 EinwohnerInnen zählende Verwaltungsgemeinschaft Bad Schandau setzt sich aus drei Gemeinden zusammen, n.mlich der Kleinstadt Bad Schandau sowie den Dörfern Rathmannnsdorf und Rheinhardsdorf-Schöna, wobei alle drei Gemeinden jeweils aus mehreren Ortsteilen bestehen. Bad Schandau mit seinen rund 3.500 EinwohnerInnen ist in diesem Verbund die erfüllende Gemeinde.
Die Ausgangssituation des Entwicklungsprozesses, der 2003 in die Wege geleitet wurde, war besorgniserregend: Die Arbeitslosigkeit lag bei 15,7 Prozent, was über dem Durchschnitt des Landkreises lag. Die Abwanderung, die nach der Wende 17 Prozent der EinwohnerInnen gekostet hat, war voll im Gange. Die ohnehin ständig drohende und durch den Klimawandel signifikant steigende Gefahr von Überschwemmungen der Elbe, die das Gemeindegebiet durchzieht, war nach dem verheerenden Hochwasser im August 2002 einmal mehr präsent – rund zwei Drittel der Bevölkerung von Bad Schandau waren unmittelbar betroffen und mussten evakuiert werden.
Gleichzeitig verfügte die Verwaltungsgemeinschaft über herausragende Standortvorteile im Hinblick auf die weitere Entwicklung des Wirtschaftsfaktors Tourismus: Die Lage an der Elbe inmitten der spektakulär schönen Wald- und Felslandschaft der Nationalparkregion Sächsische Schweiz sowie die gute Anbindung an nationale und internationale Verkehrsnetze stellten und stellen zentrale Stärken dar, auf die man setzen konnte und wollte.
Im August 2003 fand im Rahmen von „Perspektive Bad Schandau“ die erste von zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen statt, im Rahmen derer unter hoher BürgerInnenbeteiligung die Entwicklungsstrategie erarbeitet wurde. Ab 2005 machte man sich daran, diese konsequent umzusetzen. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass die Strategie von Anfang an alle drei Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft umfasst hat und die unterschiedlichen naturräumlichen sowie historisch gewachsenen Stärken der einzelnen Kommunen zum Vorteil aller zu nutzen weiß. Auch ist es gelungen, neben der Zivilbevölkerung zahlreiche Unternehmen und die örtlichen Vereine in allen Phasen des Entwicklungsprozesses einzubinden und an einem Tisch zu versammeln. So konnten in rund 15 Jahren zahlreiche Projekte in verschiedensten Bereichen der ländlichen Entwicklung realisiert werden.
Die im der Verwaltungsverbund bedeutendste Agrar-GmbH mit 40 EigentümerInnen und 28 Angestellten bewirtschaftet 1.500 Hektar Acker- und Grünland, für Milchproduktion hält sie 500 Stück Milchvieh. Auffällig ist, dass trotz der großen Strukturen die Direktvermarktung einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Insbesondere die Einrichtung der Datenbank „Gutes von Hier“, die unter Zuhilfenahme modernster Kommunikationstechnologien als Brücke zwischen regionalen Produkten und ProduzentInnen einerseits und KonsumentInnen andererseits fungiert.
Synergien versteht man auch im Bereich der Energieproduktion zu nützen, zumal die an die Agrargemeinschaft angeschlossene Biogasanlage Rheinhardtsdorf-Schöna nebst anderer Einrichtungen zur alternativen Energieerzeugung eine zentrale Säule für das Zertifizierungsverfahren „European Engergy Award“ darstellte.
Große Anstrengungen wurden auch in den Erhalt und die Erneuerung der Nahversorgung unternommen. Bemerkenswert sind hier die Maßnahmen im Ortsteil Schmilka, wo eine Art lebendes Museum geschaffen wurde. Neben einigen Dorfläden, darunter eine auf höchstem qualitativen Niveau arbeitende Biobäckerei, einer Biobrauerei, einer Mühle und mehreren Beherbergungs- und Gastronomiebetrieben trägt vor allem die Ansiedlung von Einrichtungen im Bereich Naturheilpraxis zum Aufschwung des Ortes bei. 70 neu entstandene Arbeitsplätze sprechen für sich. Die qualitätsvolle Restaurierung von wertvoller Bausubstanz und der Ensembleschutz sind augenscheinlich.
Mit beispielhafter Logistik wurden das ÖPNV-Angebot harmonisiert und dessen Attraktivität für Einheimische wie auch für Gäste gesteigert, wobei insbesondere die Einführung von Gästekarten zu erwähnen ist, die zur kostenlosen Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel berechtigt. In diesem Kontext ist auch die Errichtung des ersten Nationalparkbahnhofes Deutschlands in Bad Schandau zu sehen, der nicht nur ein Drehkreuz zwischen Bahn, Bus und Schiffsverkehr ist, sondern mit dem Tourismusbüro und der Nationalpark-Infostelle auch als multifunktionales Zentrum erachtet werden kann.
Großes Augenmerk wird auf die Sanierung von Altbauten gelegt, auch die Umfunktionierung von Gebäuden oder Gebäudeteilen wird vorangetrieben. So etwa funktioniert der kleine Bahnhof in Krippen gleichzeitig als Kunstatelier, ein nicht mehr in Betrieb befindliches Kino dient als Naturpark-Zentrum, nicht mehr genutzte Kuhstallungen in Reinhardtsdorf-Schöna wurden zu Wohnungen umfunktioniert etc. Die Restaurierung des alten Fährhauses darf als gelungen angesehen werden.
Einrichtungen wie Seniorentagespflegestätten, Dienstleistungs- und Gesundheitszentren in den Ortsteilen des Verwaltungsverbundes sind als qualitätsvolle zeitgemässe soziale Infrastrukturen zu erwähnen. Das Vereinsleben und die Pflege von Traditionen werden seitens der Gemeinde gefördert. Ehrenamtliche, die sich in der Unterstützung von geflüchteten Menschen engagieren, werden trotz des schwierigen gesellschaftlichen Umfeldes seitens der Gemeindeverantwortlichen unterstützt. Insbesondere im Bereich Tourismus, darüber hinaus aber auch bei der großen Herausforderung des Hochwasserschutzes, arbeitet die Verwaltungsgemeinschaft Bad Schandau eng mit den benachbarten tschechischen Gemeinden und Regionen zusammen.
Zusammenfassend ist der Prozess einer überdurchschnittlich breiten Einbeziehung der BürgerInnen in die Entwicklung des Leitbildes „Perspektive Bad Schandau“ mit daran anschließender Umsetzung als beispielhaft anzusehen. Besonders stechen dabei die gemeinde-, regions- und grenzüberschreitende Koordination bei der Entwicklung von touristischen Erlebnisangeboten, das zu einem deutlichen Nächtigungs-Plus geführt hat, sowie beim Hochwasserschutz, die vorausschauende Umgestaltung der gesundheitlichen Dienstleistungen, das logistisch und räumlich sorgfältig ausgearbeitete öffentliche Bussystem sowie die elektronische Plattform „Gutes von Hier“ zur Direktvermarktung heraus. Zusammen mit der behutsamen Restaurierung von Altbauten mit komplexen architektonischen Maßnahmen ergibt sich eine mottogerechte Denkweise.
Evaluiert: 2018