Jemielnica, Oppeln, Polen
Die Gemeinde Jemielnica ist – seit dem Jahr 2006 auch offiziell – eine zweisprachige Gemeinde, etwa 20 Prozent der Bevölkerung in „Himmelwitz“ sind deutschsprachig. Neben der gelebten Zweisprachigkeit ist für Jemielnica das überaus aktive Vereinsleben prägend, es gibt 17 Vereine, vier davon sind Dorferneuerungsvereine, die sich mit der Entwicklung ihrer Gemeinde auseinandersetzen. Vor allem die Bildungs- und die Kulturvereine werden von der Kommune bei ihren Aktivitäten und Initiativen besonders gefördert.
Bekannt ist Jemielnica auch für die malerische Landschaft, in die die Gemeinde eingebettet ist, für einige historische Sehenswürdigkeiten wie etwas das im 13. Jahrhundert gegründete Zisterzienserkloster und für seine herausragenden kulturellen Veranstaltungen. Es steht eine Vielzahl an Freizeiteinrichtungen zur Verfügung, deshalb, aber auch aufgrund seiner reizvollen Natur- und Kulturlandschaften, ist Jemielnica ein beliebtes Ziel für Besucher:innen. Um diese Attraktivität für Einheimische wie auch Gäste Schritt für Schritt noch zu verbessern, investiert man laufend in die Modernisierung und Erweiterung der Infrastrukturen, darunter öffentliche Verkehrsmittel, Radwege, Straßen, Brücken und Wasser- und Abwassersysteme.
Erkannt hat man die hohe Bedeutung einer gesunden Umwelt für die Zukunftsfähigkeit der Gemeinde, weshalb zahlreiche Maßnahmen im Bereich Ökologie gesetzt wurden – von Mülltrennung und Recycling über die Erhaltung von Grünflächen und die Entsiegelung asphaltierter Flächen bis hin zur Nutzung regenerativer Energien. Auch ist es der Gemeinde in den vergangenen Jahren gelungen, die lokale Wirtschaft zu stärken und durch die gezielte Unterstützung von Unternehmensgründungen oder -erweiterungen vermehrt Arbeitsplätze zu schaffen. Der Fokus liegt dabei immer auf einem schonenden Umgang mit Ressourcen sowie auch auf Revitalisierungen statt Neubauten – einschließlich Transformation in zeitgemäße Nutzungen. So konnte die Abwanderung vor allem junger Menschen reduziert werden. Dies bildet gemeinsam mit der Stärkung von Identität und Traditionsbewusstsein bei einer gleichzeitigen Fokussierung auf zeitgemäße Lebensqualität ein Fundament für die Zukunftsfähigkeit der Gemeinde Jemielnica, in der die Zusammenarbeit von Politik, Verwaltung und Bevölkerung gelebte Realität ist.
Die Gemeinde Jemielnica legt einen deutlichen Fokus auf eine ressourcenschonende und den Anforderungen des Denkmalschutzes gerecht werdende Sanierung und Revitalisierung baukulturell bedeutsamer Gebäude bei gleichzeitiger Modernisierung. Einerseits bekennt sie sich damit ganz klar zu ihrem historischen Erbe, andererseits gelingt es ihr, neue Räume für Bildung, kulturelle Aktivitäten und gemeinschaftliche Begegnung zu schaffen und an Attraktivität für Einheimische wie auch Tourist:innen zu gewinnen. Die Projekte wurden mit Einbindung der regionalen Wirtschaft sowie finanzieller Unterstützung aus mehreren nationalen wie europäischen Fördertöpfen und Eigenleistungen der Bevölkerung realisiert.
Mit der fachkundigen Sanierung, Revitalisierung und behutsamen Erweiterung eines alten Gasthofes etwa unter Bewahrung seiner architektonischen Merkmale wurde in mehreren Projektabschnitten ein lebendiges Gemeinschaftshaus geschaffen, das von Vereinen, Unternehmen und Privaten für Events aller Art gerne genutzt wird, zumal das Gebäude barrierefrei gestaltet und mit modernster technischer Infrastruktur ausgestattet wurde. Die gelungene Restaurierung des unter Denkmalschutz stehenden ehemaligen Getreidespeichers, Teil des nach wie vor aktiven Zisterzienserklosters, und seine Umfunktionierung zu einer Galerie mit höchst ansprechendem Lichtkonzept belebt das künstlerische und kulturelle Geschehen und zeugt von hohem Bewusstsein für die historische wie auch gegenwärtige Bedeutung des Klosters für die Entwicklung der Gemeinde.
Um dem wachsenden Bedarf an der Betreuung von Klein- und Kleinstkindern in sämtlichen Ortsteilen der Gemeinde Jemielnica adäquat zu begegnen, wurde im unmittelbaren Ortszentrum ein hochmodernes, über die Grenzen der Gemeinde hinaus bekanntes und bewundertes Gebäude errichtet, das einen mehrgruppigen Kindergarten mit spezieller Ausstattung auch für Vorschulkinder, eine Kinderkrippe sowie logopädische und therapeutische Praxisräume unter einem Dach beherbergt.
Der Bau des im Rahmen eines Architekturwettbewerbes ausgeschriebenen und hinsichtlich seines Designs viel beachteten Gebäudes begann im Sommer 2020 und ging bereits ein Jahr später im August 2021 in Betrieb. Bei der Energieversorgung des Gebäudes wurde auf regenerative Energien wie Geothermie und Photovoltaik gesetzt.
Die Räume sind lichtdurchflutet, aber sichtgeschützt, schalldicht und entsprechen pädagogischen und kindlichen Bedürfnissen. Selbstverständlich stehen den Kindern auch Bewegungsräume und ein Garten mit Spielplatz zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es einen Speisesaal mit eigener Küche und sonstigen angeschlossenen Lager- und Wirtschaftsräumen.
Ein Teil des Gebäudes ist zweistöckig ausgeführt, wobei in der oberen Etage einerseits Büro- und Verwaltungsräume untergebracht sind und andererseits Praxisräume für verschiedene Therapien, beispielsweise Logopädie oder Physiotherapie, geschaffen wurden. Insbesondere das Letztere bringt einen deutlichen Mehrwert und auch eine erhebliche Erleichterung für betroffene Kinder wie auch deren Eltern.
Piotrówka bzw. Petersgrätz, ein Ortsteil der Gemeinde Jemielnica, hat sich im Zuge seines Entwicklungsprozesses darauf fokussiert, zu einem „Ort für Kinder“ zu werden, an dem spielerisch die Welt entdeckt und Wissen und Können auf verschiedenen Gebieten erworben werden kann.
Das Projekt besteht aus mehreren miteinander verbundenen Komponenten. Ein Bildungspark vermittelt auf einem ökologischen Lehrpfad samt integrierter Outdoor-Lernspiele Wissenswertes über Natur und Umweltschutz. Unmittelbar angeschlossen an diesen Park, der auch mit einem Spielplatz sowie zwei Sportplätzen ausgestattet ist, ist die so genannte Verkehrsstadt. Dabei handelt es sich um einen Parcours, auf dem Kinder und Jugendliche das Fahrradfahren nicht nur erlernen und perfektionieren können, sondern auch das richtige Verhalten im Straßenverkehr trainieren – ein Angebot, das von Einheimischen wie auch zahlreichen Gästen in Anspruch genommen wird.
Eingebettet in diesen Outdoor-Komplex ist ein Bildungszentrum mit modern ausgestatteten Konferenzräumen und zwei Dauerausstellungen, in denen man sich mit der Geschichte des Ortes und der Region sowie mit den historischen Traditionen auseinandersetzt, wobei hier nicht nur auf wissenschaftliche Expertise, sondern auch das Wissen der älteren Dorfbewohnenden zurückgegriffen wurde. Das gesamte Projekt ist nicht zuletzt deshalb ein Beispiel für die Begegnung von Generationen auf Augenhöhe, das sinnstiftend für Alt und Jung ist und eine gemeinsame Identität schafft.
Gąsiorowice, ebenfalls einer der sieben Ortsteile der Gemeinde Jemielnica, zeigt sich seit 2017 als klassisches Themendorf – ein Leitprojekt, das als Bündel mehrerer Maßnahmen rund um das Themenfeld Gänse (das polnische Wort für Gans ist namensgebend für den Ort) realisiert wurde.
Die erste Maßnahme, die gleichzeitig die Initialzündung für weitere war, stellte die Errichtung eines Gąski-Pfades (Gänsepfad) dar, auf dem personalisierte Gänsefiguren die Geschichte des Dorfes und die historische Bedeutung der Gänsehaltung wie auch die Weiterverarbeitung von Gänsefedern für den Ort erzählen – ein Projekt, das die Identität der Bewohnenden stärkt, gleichzeitig aber auch von Tourist:innen zunehmend geschätzt wird. Bald folgte die Anlage von musterhaften alten Bauerngärten („Omas Garten“) und Obstgärten, die beispielgebend hinsichtlich Biodiversität sowie der Pflanzung alter heimischer und damit auch besonders resilienter Sorten sind. Diese Mustergärten sind nicht nur eine deutliche Bereicherung für den Grünraum im Dorf, sondern dienen auch als lehrreiche Vorbilder für so manche private Gärten. Bemerkenswert und augenscheinlich ist auch die Realisierung der Maßnahme „Stille Geschichte“, im Zuge derer alte Fotos von Bewohnenden des Ortes in Übergröße auf Gebäude übertragen wurden und eine emotional ansprechende Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart des Dorfes erzeugen. Es gelingt mit dem Gesamtprojekt, touristischen und ökonomischen Mehrwert zu generieren und gleichzeitig die Identität zu stärken und das immaterielle Erbe zu bewahren.
Evaluiert: 2024