Esbeek, Niederlande
Esbeek ist mit seinen rund 1.240 EinwohnerInnen Teil der Gemeinde Hilvarenbeek (rund 15.000 EinwohnerInnen) und liegt in der Provinz Noord-Brabant. Der Ort liegt zwölf Kilometer von der Universitätsstadt Tilburg entfernt und weiß die Vor- und Nachteile seiner Lage im „Speckgürtel“ vorbildlich zu nutzen.
2006 gründeten mehr als die Hälfte der EsbeekerInnen eine Dorfkooperative (Coöperatie Esbeek), die zahlreiche dörfliche Entwicklungsprojekte beispielhaft nach dem Bottom-up-Prinzip umgesetzt hat. Die große Stärke der Kooperative ist es, das Know-how der zahlreichen MitbürgerInnen mit ihrem umfangreichen Fachwissen vorbildlich für alle Bereiche der Dorfentwicklung zu nutzen, externe Fachberatung in hohem Maße einzubauen und auch die Möglichkeiten der finanziellen Beihilfen – bei gleichzeitig großer Eigenleistung – bestens zu nutzen. Außerdem ist die Kooperative auf kommunaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene aktiv und entsprechend vernetzt.
In einer ersten SWOT-Analyse 2006 wurde klar, dass die Infrastruktur im Ort sehr schnell ausdünnte, sich traditionelle Strukturen veränderten und eine zunehmende Überalterung absehbar war. Die EinwohnerInnen wollten die zukunftsfähige Entwicklung des Ortes selbst in die Hand nehmen. 2007 kaufte die Kooperative ohne öffentliche Hilfe das letzte Lokal im Ortskern, das Café Schuttershof, um es als sozialen Treffpunkt zu erhalten. Gleichzeitig initiierte die Kooperative den Bau von bislang bereits fast 40 „Starterhäusern“, also Immobilien im niedrigen Preissegment, um jungen Familien Wohnraum zu bieten. Da die Bevölkerungszahl in den Niederlanden insgesamt und eben auch rund um Tilburg sehr deutlich steigt, lockert die öffentliche Hand die restriktiven Vorschriften für die Erschließung von Bauland. Für Esbeek wird bis 2030 ein Bevölkerungszuwachs von zehn Prozent diagnostiziert, etwa 100 neue Wohneinheiten müssen dafür zusätzlich geschaffen werden. Es gelang der Kooperative mit Unterstützung der Gemeinde nicht nur Neubaugebiete auszuweisen, sondern auch Baulücken im Ort zu schließen. In einem Wohnentwicklungsprojekt werden zudem ausgediente Schweinehaltungsbetriebe für den Neubau von Wohnraum unter Nutzung der historischen Bauformen genutzt.
Die wirtschaftliche Situation des Ortes ist sehr gut. Durch die Ausweisung eines Industriegebietes auf der ehemaligen Ziegelei entstanden in den letzten 14 Jahren mehr als 100 neue Betriebe und Unternehmen.
Neben der Kooperative prägen zahlreiche Vereine und Straßengruppen das soziale Zusammenleben im Ort. Außergewöhnlich ist die Stiftung „Vrienden van Andreas Schotel“ (Freunde von Andreas Schotel). Sie belebt den Ort nicht nur mit einem Museum des renommierten Künstlers, der das Dorfleben seit den 1920er-Jahren über mehrere Jahrzehnte porträtierte, sondern auch mit lebensgroßen plastischen Darstellungen seiner Werke, die das Landschaftsbild originell bereichern.
Die Kooperative hat seit 2006 in schneller Folge Projekte mit großer Tragweite realisiert. Ab 2007 etwa wurde ein Entwicklungsplan für das 2.485 Hektar große Landgut Utrecht entworfen, auf dem sich heute elf landwirtschaftliche Betriebe befinden. Ein Betrieb wirtschaftet biodynamisch. Neben 40 Privathäusern und einem Gasthaus umfasst das Gut auch ein Hotel und einen Golfplatz. Unter der Leitung des Gutsverwalters arbeiten rund zwölf Ehrenamtliche an der Waldbewirtschaftung. Im wahrsten Sinne herausragend und eine Touristenattraktion ist etwa auch der in zeitgemäßer und mehrfach preisgekrönter Architektur errichtete Aussichtsturm im Natura-2000-Gebiet. Seit 2007 betreuen „Dorfkümmerer und Dorfkümmererinnen“ betagte Menschen und 2008 eröffnete die Kooperative ein Haus für SeniorInnen, die nicht mehr alleine leben können. Seit 2009 nutzt man die Beratung von auswärtigen ExpertInnen, etwa von der Universität Tilburg und anderen Hochschulen, für die Bereiche Energie, Dorferneuerung, Altenpflege, Wohnbau und Kunst. 2013 förderte die Kooperative den Ausbau des Glasfasernetzes, das in der gesamten Gemeinde verlegt wurde. Zu erwähnen ist auch, dass die Bürgervereinigung seit mehreren Jahren ihre Erfahrungen über eine Unterstützungsplattform mit anderen Initiativen, Vereinen und Dorfkooperativen in der Provinz Noord-Brabant teilt und in den Niederlanden als innovativer Hotspot gilt.
Bemerkenswert ist die unter Federführung der Esbeeker Kooperative gegründete Energiekooperative, die ein Kleinwasserkraftwerk errichtet, sich an einem Bürgerwindpark beteiligt und den kollektiven Ankauf sowie die Installation von Solarmodulen auf öffentlichen Gebäuden im Ortskern organisiert hat. Zudem wird erneuerbare Energie für hunderte Haushalte in einer Biogasanlage und in Photovoltaikanlagen produziert.
Ein Leuchtturmprojekt mit Strahlkraft weit über die Provinzgrenzen hinaus ist die Umnutzung der säkularisierten Kirche zur Kindertagesstätte und Grundschule, die eine gelungene Verbindung traditioneller Kirchenarchitektur mit modernen Elementen darstellt und darüber hinaus wesentlich zur Aufwertung des Dorfkerns beigetragen hat. Starke Initiativen setzt die Kooperative auch zur Eingliederung von NeubürgerInnen in die Gemeinschaft sowie zur besseren Kommunikation und Kooperation der Wirtschaftstreibenden untereinander und mit den DorfbewohnerInnen. Mit verschiedenen Renaturierungsmaßnahmen schließlich werden nicht nur weitere ökologische Akzente gesetzt, sondern gleichzeitig auch wichtige touristische Impulse zur Etablierung als Naherholungsraum für die Stadt Tilburg.
Man leistet in Esbeek nicht nur eine hervorragende konzeptionelle Arbeit, sondern konnte – stets unter hohem bürgerschaftlichen Engagement – mehrere Leuchtturmprojekte sowie eine Vielzahl an Maßnahmen in unterschiedlichsten Bereichen realisieren, die in ihrer Gesamtheit von hohem ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Bewusstsein zeugen und als ausgesprochen zukunftsweisend eingestuft werden dürfen.
Evaluiert: 2020