Gniewino, Pommern, Polen
Die Gemeinde Gniewino liegt etwa 20 km von der Ostseeküste, 15 km von der Kreisstadt Wejherowo und 70 km vom nächsten urbanen Zentrum Gdansk (Danzig) entfernt. Die nächstgelegene Bahnanbindung besteht ab Wejherowo.
Die zur Zeit des 2. Weltkrieges erfolgten Flüchtlingsströme und Umsiedlungen in Osteuropa führten auch in Gniewino zu einer neuen Gesellschaftsstruktur, von der lediglich die Kaschuben weitgehend ausgenommen waren: Es fanden sich Menschen aus den unterschiedlichsten Regionen Polens in der Gemeinde Gniewino ein, die aus ihrer Vielfalt neue kulturelle und soziale Lebensformen für diesen ländlichen Raum schaffen mussten. 1970 zählte die Gemeinde knapp 4.000 EinwohnerInnen, heute sind es 7.000. Der Bau eines Pumpspeicherkraftwerks in Jezioro Żarnowieckie (Zarnowitzer See) von 1976 bis 1983 sowie der 1972 gestartete, Ende der 1980er-Jahre aber aufgegebene Bau eines Atomkraftwerkes führten zu diesem bemerkenswerten demografischen Schub.
1989 war die Gemeinde struktur- und finanzschwach. Vor allem für die unqualifizierten EinwohnerInnen fehlten Arbeitsplätze. Die Gemeindeverantwortlichen entwickelten eine Vision und setzten sie Schritt für Schritt um. Die Ansiedlung einer Fischverarbeitungsfabrik, die vor allem Frauen bis zu 400 Arbeitsplätze bietet, und die Neuregelung der Unternehmensbesteuerung in Polen, die nun auch den Gemeinden einen Anteil der Steuereinnahmen zusichert, ermöglichten ab Mitte der 1990er-Jahre eine langfristige Investitionsstrategie. Dies kombinierten die Gemeindemandatare geschickt mit einer optimalen Ausschöpfung der europäischen Fördergelder, sodass in den vergangenen zwei Jahrzehnten viele zukunftsweisende Projekte realisiert werden konnten.
Das Leitbild der Gemeinde zielt auf die Entwicklung der Region als sportliches und touristisches Naherholungsgebiet für den Großraum Danzig ab, wobei die Möglichkeiten des Zarnowitzer Sees optimal genutzt werden sollen. Das „Kaschubische Auge“, ein 44 m hoher Aussichtsturm, gesäumt von einem kleinen Freizeitpark in unmittelbarer Nähe zum Obersee des Pumpspeicherkraftwerkes, wird heute, fünf Jahre nach seiner Eröffnung, als äußeres Markenzeichen und innerer Identifikationspunkt dieser Entwicklung wahrgenommen. Der Name dieser Touristenattraktion verbindet geschickt die Tradition der kaschubischen Minderheit mit den in die Zukunft gerichteten Ambitionen der jungen Gemeinde, was sich auch für das Zusammenleben der Volksgruppen als sehr fruchtbar erwiesen hat. Der Aussichtsturm setzt auch einen Kontrapunkt zur Außenstelle des Freilichtmuseums, das die traditionelle Lebensweise der Kaschuben anschaulich in Szene setzt.
Das moderne Sporthotel mit hervorragender Sportinfrastruktur diente nicht nur Fußballweltmeister Spanien während der EM als Trainingsquartier, sondern wird auch von den örtlichen Sportvereinen mit Leben erfüllt. Die soziale Entwicklung wurde über Dorfhäuser und Schule vorangetrieben. Das hohe Engagement der Gemeinde im Bereich der Kindergartenstrukturen liegt deutlich über dem polnischen Vergleich und auch der Aufbau einer medizinischen Grundversorgung und weiterer Freizeitangebote ist beispielhaft.
Energetisch kann die Gemeinde mit einem der ersten (privat betriebenen) Windpark Polens aufwarten. Photovoltaikanlagen an öffentlichen Gebäuden wie dem Schuldach wurden errichtet und deutliche Initiativen in der thermischen Bausanierung gesetzt. Das Schwimmbad wird mit einer Hackschnitzelanlage beheizt, auch verfügt man über eigene Weidenplantagen. In der Abwasserklärung liegt die Gemeinde bereits über dem europäischen Durchschnitt. In der Müllverwertung wurden wichtige Initiativen auf den Weg gebracht.
Die Gemeinde besticht durch eine klare Vision, die stark ökonomisch geprägt ist. Dabei sind die Gemeindeverantwortlichen nicht nur gut regional und überregional vernetzt, sondern oft selbst Initiatoren von zukunftsgerichteten Kooperationen mit klarer europäischer Ausrichtung.
Evaluiert: 2012